Die Prusai
(Quelle: TOLKEMITA - waistsennei 1/2001)
Im <Steinkreis> Nr. 33, Winter 2000/2001, Magazin für
Naturreligionen, Zauberei und Magie, Redaktion Steinkreis -Magazin,
Puntheide 21, 33619 Bielefeld, schrieb Theo Erlemann, ausführender
Redakteur, über die Prußen:
Schon in der Antike berichteten Reisende über das Land
Prusa und den Bernstein Gentars, dem wertvollsten Handelsgut,
der die verschiedenen Stämme der Prußen (Prusai)
mit anderen Ländern und Kulturen verband. Die Prusai
lebten als Ackerbauern, Fischer und Jäger inmitten von
Wäldern und Seen in der Gegend des späteren Ostpreußen
und südwestlichen Litauen. Die relative Leichtigkeit der
Lebensumstände führte zu beachtlichem Wohlstand. Außerdem
lieferte das Vorkommen von Bernstein, das an Ergiebigkeit jede
andere Fundstätte in der Welt übertrifft, eine gute
Möglichkeit, sich mit Waren und Kenntnissen der damals
bekannten Welt zu versorgen. Neben Bernstein konnten mancherlei
landwirtschaftliche Produkte, wie Honig und Wachs ausgeführt
werden. Der Chronist Miechovius (16. Jh.) behauptete sogar,
daß diese prußischen Produkte ausreichen würden,
halb Europa damit zu beliefern. Ein weiterer bedeutender Wirtschaftsfaktor
war die Fauna des Landes, die kostbare Felle und Häute
der seltensten europäischen Tierwelt liefern konnte.
Die Prußen waren neben den Litauern das letzte nichtchristliche
Volk Europas. Ihre Feste waren fröhlicher Art und entsprach
dem Gang der Natur in den Jahreszeiten. Das Wesentliche ihrer
Religion war die Ehrfurcht und der Respekt gegenüber der
Natur, die sie umgab. So gab es heilige Seen, Felder und Haine,
die nur von den Priestern betreten werden durften. Der wichtigste
Hain war Romowe, Sitz des Oberpriesters, dessen Ansehen weit
in die anderen baltischen Völker reichte. In Romowe wurden
heilige Feuer unterhalten, und weiße Pferde dienten als
Orakel. Besonders auch an den Grenzen richteten die Stammesfürsten
der Prusai Heilige Wälder und Haine ein, die nur mit Erlaubnis
der Priester betreten werden durften - so wurden mögliche
Streitigkeiten frühzeitig vereitelt. Unter solch insgesamt
genommen günstigen Bedingungen blieben die zwölf Stämme
der Prusai auch während der Völkerwanderungszeit seßhaft.
Die Große Wildnis im Süden bot vor allem
im Sommer Schutz gegen Angreifer, was die Prusai sorglos werden
ließ. Doch der Reichtum der Prusai blieb den Nachbarn
nicht verborgen, und so kam es im 9. Jh. zu Invasionen der Nordländer,
die ein Jahrhundert später von Überfällen der
Slawen abgelöst wurden.
Von da an war die Geschichte der Prusai eine von Überfällen
und Unterdrückung. Im 11. und 12. Jh. häuften sich
die masowischen Raubzüge auf prußische Gebiete, was
die Prußenstämme dazu zwang, sich zu vereinen und
Gegenschläge zu organisieren. Dies überraschte die
Masowier derart, daß sie sich im 13. Jh. an den Deutschen
Orden wandten und ihn um Hilfe baten. Mit großer Übermacht
und ausgestattet mit modernem Kriegsgerät, sowie durch
die Kreuzzüge militärisch erfahren, begann die christliche
Militärmaschine 1230 die Prusai mit Krieg zu überziehen.
Trotz ihrer Unterlegenheit hielten die Prußen 53 Jahre
den Angriffen des Deutschen Ordens und seiner europäischen
Verbündeten stand. Schließlich mußten sie sich
dann doch ergeben.
Es folgte eine Zeit der Rechtlosigkeit, Verbot der prußischen
Sprache, Verfolgung bei der Ausübung der prußischen
Religion und Vertreibung derer, die sich dem neuen System nicht
anpaßten. Die Aggressionen gegen die Prußen gipfelten
zum Ende des 14. Jhs. den sog. "Preußenfahrten des
europäischen Adels", bei denen zur Erprobung von Mut
und Tapferkeit baltische Dörfer überfallen und ihre
Bewohner ermordet wurden.
Die Prußen assimilierten mit der Zeit, ein Vorgang,
den man auch bei anderen überfallenen, zwangsumgesiedelten
Stämmen in der Geschichte vorfindet. Und doch haben sich
Reste der alten Kultur erhalten - dies geschieht zwangsläufig
auf subkulturellen Wegen, wenn dies in der Öffentlichkeit
nicht möglich ist - ein Effekt den wir bei vielen verfolgten
Religionen im christlichen Abendland beobachten können.
Und so setzte sich die Geschichte der Prußen bis in die
heutige Zeit fort: informell, von Mund zu Mund, von Generation
zu Generation.
Heutige Nachfahren der Prußen, die sich gegenseitig
oft an ihren Nachnamen erkennen, sind emsig bemüht immer
wieder neue Quellen prußischen Kulturgut aufzuspüren.
Ihr Ziel ist es jedoch, von der Politik als Volk anerkannt zu
werden; wieder, oder - endlich.
Hier aber scheint die Lage nicht sonderlich aussichtsreich
zu sein, wurden die Prusai doch bereits unter dem Deutschen
Orden zwangsassimiliert. Dies führte auch von der Vergangenheit
bis heute zu der Situation, daß die Prusai immer wieder
schwankten zwischen deutscher und prußischer Identität.
Im Rahmen der deutsch-europäischen Kulturpolitik finden
sie Unterstützungszusagen, was den Erhalt und die Förderung
ihrer Kultur angeht - allerdings nur als Teil der deutschen
Kultur.
So arbeiten sie weiter, mit ihrem Dachverband Tolkemita, sammeln
alte Sagen und Legenden, alte Bräuche und: es gibt immer
noch welche unter ihnen, die ihre alten Götter verehren.
Aber das tun sie in aller Zurückgezogenheit und unter sich.