Einige charakteristische
Sagen aus Ostpreußen
(Quelle:
Der Text wurde dem Buch von Robert Budzinski „Entdeckung Ostpreussens“,
Verlag Carl Reissner, Dresden 1940 entnommen.)
Der
Teufel und der Rittergutsbesitzer
In
der Gegend von Kruscheiken liegt ein kleiner See, der unergründlich
tief ist. Von dessen Entstehung wird folgende Geschichte erzählt:
Es war einmal in Kruscheiken ein Rittergutsbesitzer, der war fromm
und gottesfürchtig und mildtätig und gab von seinem Überfluß den
Armen. Er verkaufte sein Korn immer unter dem Preis und gab seinen
Instleuten stets viel mehr, als sie haben wollten. Das ärgerte
aber die anderen Menschen und sie beredeten den Teufel, dass er
dem frommen Manne etwas anhaben sollte und versprachen ihm dafür
die Belieferung der Hölle mit Brennmaterial für ein Jahr. Der
Teufel sagte zu. Einmal, als der fromme Gutsbesitzer auf dem Felde
stand und gerade Zigarren an seine Knechte verteilte, das Stück
zu 80 Pf., und den Frauen mild zuredete, doch nicht zu sehr sich
anzustrengen, da kam plötzlich ein Pferd hinzugelaufen, das war
ganz schwarz. Es blieb vor dem frommen Herrn stehen und sah ihn
mit klugen Augen freundlich an, so dass dieser es bestieg und
zu reiten anfing. Der Rappe ging auch ganz ruhig weiter, aber
er war kein anderer als der leibhaftige Teufel, der seinen Reiter
in die Hölle bringen wollte. Als sie nun weiter kamen, da stand
da ein armer Pferdejude, und der Rittergutsbesitzer hielt das
Pferd an, um seiner Gewohnheit gemäß dem Juden etwas Geld zu geben.
Als der aber das reiche Geschenk erhielt, machte er zum Dank das
Zeichen des Kreuzes über Roß und Reiter. Da brüllte der Rappe
laut auf, schrie vor Schmerz und ließ einen scheußlichen Gestank
von sich, drehte sich auch immer im Kreise, so dass ein großes
Loch von seinen Hufen ausgebuttert wurde, wo nachher Wasser hineinfloß,
und das ist heute noch zu erkennen als der tiefe schwarze See
von Kruscheiken.
Wie
der Teufel christlich wurde
Es lebte vor
vielen 100 Jahren in Unter-Buxen ein edler und frommer Pfarrer,
der ließ jedes Menschen Meinung wie seine eigene gelten und sagte,
dass jede Seele ihren eigenen lieben Gott habe. Die vorgesetzte
Behörde freute sich über ihren weisen Diener, so dass sie ihm
eine Gehaltszulage bewilligte. Das gefiel natürlich dem Teufel
nicht und er beschloß, den armen Pfarrer zu verderben. Er besuchte
den Pfarrer als verkleideter Predigtamtskandidat, redete sehr
christlich und bat, am nächsten Sonntag von der Kanzel predigen
zu dürfen. Der fromme Pfarrer sagte mit Freuden zu, trotzdem er
wusste, dass es der Teufel war. Als dieser auf der Kanzel stand,
geschah ein großes Wunder. Wie er nun von Hölle und Himmel, von
Gott und Teufel sprach und natürlich immer alles verdrehen wollte
in seinem bösen Sinne, da gab Gott, dass der teuflische Priester
immer Gott mit dem Teufel und Hölle mit Himmel verwechseln musste,
so dass eine wirklich erbauliche Predigt herauskam. Und der Teufel
konnte nichts dagegen machen. Da ärgerte er sich so, dass er beschloß,
sich taufen zu lassen, was der fromme Pfarrer sofort besorgte.
Von diesem Teufel soll der Dichter E.T.A. Hoffmann abstammen.
Die
Sage von der Erfindung der Sage
Es
war einmal vor vielen 1000 Jahren ein Schulrat Meerkatz. Der sagte:
Ostpreußen hat zu wenig sagen und diese sind dazu noch ganz veraltet.
Er setzte sich hin, nahm ein alphabetisches Verzeichnis der ostpreußischen
Ortsnamen und fing an: „Allenstein“. Hier wohnte mal vor vielen
100 Jahren eine schöne Fee, die hieß Allensteina usw. „Bartenstein“.
Es war einmal ein Ritter, der hieß Bartus Steinus usw. So machte
er das ganze Alphabet durch. Dafür wurde ihm ein Denkmal gesetzt
in der schönen Stadt Neidenburg.
Barkus
der Schmied
Aus
den allerältesten Zeiten wird uns überliefert, dass im Bersteinlande
Preußen ein sehr kunstbeflissener Mann gelebt hat, der aus mancherlei
Stoffen wie Eisen, Holz, Bernstein gar wundersame Figuren, Gerätschaften
und Gegenstände erschuf, zu aller Menschen Freude und Wohlgefallen.
Die Kunde von diesem großen Künstler ging in alle Lande. So kam
es, dass Fürsten, Herzöge und Könige sogar sich angelegen sein
ließen, diesen Mann, den Stolz seines Landes, der Barkus hieß
und eigentlich ein Schmied war, an ihre Höfe zu ziehen. Wie das
Preußenvolk diese merkte, tat es alles, um sein Fortziehen zu
verhindern. Sie brachten ihm die köstlichsten Speisen, kleideten
ihn in kostbarste Stoffe, bauten ihm ein prächtiges Haus gleich
ihren Fürsten und Edelingen. Sie erreichten dadurch auch das,
was sie wollten. Barkus gefiel das alles, er blieb im Lande, blieb
und wurde dick und fett und – faul. So faul, dass er immer seltener
Meißel und Hammer zur Hand nahm, und auch sein liederreicher Mund
verstummte. Was aus ihm geworden ist, meldet keine Sage, kein
Heldenlied; wohl aber hat die Bewohnerschaft Ostpreußens aus den
Fehlern der Vorfahren gelernt. Sie gibt ihren Künstlern überhaupt
nichts mehr zu essen und zu kleiden. Dadurch erwachsen ihr große
und berühmte Künstler, die nur leider mit der diesem Stande eigenen
Undankbarkeit das Vaterland verlassen, dem sie die Erlangung ihres
Ruhmes verdanken.
Die
Kunstschule
Zu
Zeiten der Widewud und Bruteno war im Lande eine berühmte Kunstschule,
deren Einfluß sich bis zum Nordpol erstreckte, wo ein Kolossalgemälde
von ihren Professoren gemalt wurde, das sogar das Eis erwärmte,
dass beinahe eine große Überschwemmung eingetreten wäre. Alle
Professoren und ihre Schüler waren Genies ersten Ranges und daher
sehr verträglich und liebevoll untereinander. Das gefiel dem bösen
Zauberer Xklrz gar nicht, so dass er sich als Künstler verkleidete
und an die Kunstschule ging, um Zwietracht dort zu säen. Als er
aber ein halbes Jahr da war, wurde er zum Direktor der Schule
gemacht, es gefiel ihm so, dass er immer da blieb, und seit der
Zeit bezaubern die Künstler dieser Schule alle Menschen.
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