Entschuldigung – entwinusna
(Quelle: Tolkemita waistsennei 1/2001)
Am 30. März 2001 veröffentlichte das Magazin der Süddeutschen
Zeitung" folgendes Interview, das Yvonne Wieden mit
Ginnis Reinhard Grunenberg in Berlin machte:
» Herr Grunenberg, wir möchten uns bei Ihnen
entschuldigen. Alle feiern 300 Jahre Preußen - aber die
echten Preußen, Ihr Volk, die so genannten Prußen,
werden komplett übergangen.«
Ich bin gerührt. Sie sind die Ersten, die sich für uns
interessieren. Kaum jemand weiß noch, dass der Name Preußen
eigentlich von einem baltischen Volk stammt, den Prußen.
Sind die nicht schon lange ausgestorben?
Die Prußen lebten rund 2500 Jahre lang auf dem Gebiet des
ehemaligen Ostpreußen und stellten dort bis ins 16. Jahrhundert
die Bevölkerungsmehrheit- die sollen einfach so verschwunden
sein? Ich fühle mich jedenfalls noch recht munter. Und außer
mir gibt es ein paar Hundert andere Menschen, die ihre Wurzeln
auf die Prußen zurückführen.
Sie wirken wie ein ganz normaler Deutscher. Was macht
Sie so sicher, in Wahrheit ein Pruße zu sein?
Das ist am Namen erkennbar. Grunenberg ist die Eindeutschung des
prußischen Wortes »Grawdecaymis«, das »fruchtbares,
grünes Dorf« bedeutet. Urkunden belegen, dass es in
der Gegend, aus der meine Familie stammt, einen Ort dieses Namens
gab.
Ein stichhaltiger Beweis für Ihre prußische
Abstammung ist das aber nicht.
Stichhaltige Beweise können Sie nach 700 Jahren nicht verlangen
- so lange versucht man uns schon totzuschweigen. Meine Nachforschungen
haben aber ergeben, dass der Name Grunenberg tatsächlich
nur in den prußischen Stammesgebieten gebräuchlich
war.
Warum kennt man die Prußen heute nicht mehr?
Weil wir systematisch unterdrückt wurden! Als der Deutsche
Orden im 13. Jahrhundert begann, unser Land zu erobern, wurden
wir mit dem Schwert bekehrt, zu niederen Diensten gezwungen oder
gar vertrieben. Jahrhundertelang war es streng verboten, Prußisch
zu sprechen.
Jetzt ist es wieder erlaubt. Sagen Sie bitte etwas.
Dikun per jusan labbiskun - das heißt: »Danke für
Ihre Freundlichkeit.« Aber wir kennen nur noch wenige Wörter.
Richtig reden können wir damit nicht mehr.
Was ist noch übrig von der prußischen Kultur?
Leider kaum etwas. Trachten, Lieder, Volkstänze... In einigen
Archiven müssen noch Kulturgüter wie Chroniken und kritische
Berichte der Prußen über ihre Eroberer schlummern.
Wir vermuten auch, dass es noch mehr bildliche Darstellungen unserer
Bräuche und Götter gibt. Unser Verein, die »Tolkemita«,
sammelt Dokumente rund um das prußische Erbe. Mitten in
Europa verschwindet ein Stück Kultur - da kann man doch nicht
einfach zuschauen. Wir wollen wenigstens erreichen, dass man weiß,
woher der Name <Preußen> kommt und wer die Prußen
eigentlich waren.
Dann müssen Sie mal auf die Pauke hauen - zum Beispiel
indem Sie auf ein Standbild des Alten Fritz klettern und prußische
Parolen skandieren!
Im Mai werden wir in Berlin eine Vertretung der Prußen
eröffnen, um unsere Anliegen vorzubringen. Wir bemühen
uns zum Beispiel seit 1995 um den Status »Nationale Minderheit«.
Wir erfüllen alle Kriterien, bis auf eines: Ostpreußen
gehört nicht mehr zu Deutschland. Deswegen werden wir vom
Innenministerium nicht anerkannt.
Vielleicht liegt das auch daran, dass die Prußen
eine sehr kleine Minderheit sind - nur wenige Hundert Leute.
In der Tat ist das ein weiteres Argument der Behörden. Ich
frage aber: Wie groß muss eine Minderheit sein, um anerkannt
zu werden? Bald werden wir uns an den Europarat wenden, und zwar
an den Expertenausschuss zum Schutz Nationaler Minderheiten -
mal sehen, wie man dort die Lage beurteilt. Im Übrigen gibt
es viel mehr Prußen als in unserem Verein organisiert sind.
Nur wissen viele nichts davon. Ich vermute, dass jeder zweite
vertriebene Ostpreuße ein Pruße ist - zirka eine Million
Menschen.
Was sagen denn die Vertriebenenverbände?
Die interessieren sich viel zu wenig für die Prußen.
Und wissen Sie, warum? Die meisten Vertriebenen wollen keinesfalls
als Nichtdeutsche gelten.
Sie holen sich also eine Abfuhr nach der anderen.
Es gibt auch Erfolgserlebnisse. Wir haben zum Beispiel den Namen
»Preußen« beim Patent- und Markenamt schützen
lassen. Vor ein paar Wochen erhielt ich die amtliche Bestätigung.
Wieso denn Preußen? Sie sind doch Prußen!
Aber Preußen und Prußen sind doch nur verdeutschte
Formen des prußischen Wortes »Prusai« - so nannten
sich unsere Vorfahren nämlich selbst. Der Name wurde von
den Ordensrittern übernommen. Das ändert nichts daran,
dass wir die wahren Preußen sind.
Was wollen Sie mit dem geschützten Namen anfangen?
Theoretisch können wir alle Veranstalter verklagen, die mit
dem Begriff »Preußen« werben. Vielleicht wird
das aber nicht nötig sein. Uns geht es darum, gehört
und künftig in solche Veranstaltungen einbezogen zu werden.
Was heißt Entschuldigung auf Prußisch?
Etwinusna.
Nehmen Sie die Etwinusna an?
Otto Schily hätte uns wenigstens die Hand reichen müssen.
Auch auf unser Angebot, mit den Veranstaltern des Preußenjahres
zusammenzuarbeiten, kam keine Reaktion. Es tut mir Leid, ich kann
die Entschuldigung nicht annehmen.
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