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Religion
 
Die Religion der
Prußen von O. Barran
 
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Opfer und Gedenken  
   
   
   
   
   

Opfer und Gedenken

auf der Kriwule der Tolkemita im Herbst 2006 in Potsdam.

Am 31. Oktober feierten unsere prußischen Ahnen das dritte Fest für Pergubrius, das Ende der Ernte („Ozinek“). Das Frühlingsfest war am 22. März, der Beginn der Ernte wurde am 2. August gefeiert und am 31. Oktober das Ende der Ernte. Es hatte etwa die Bedeutung unseres Erntedankfestes. Sie legten ein Brot auf ein Bündelchen Heu - Nahrung für Mensch und Tier -  wie wir auch ähnlich zum Erntedank mit geernteten Früchten unseren Tisch schmücken. Als Dank wurde das Bocksopfer, die sogenannte Bocksheiligung durchgeführt. Dabei sprach der Waidelotte, der Priester, im Beginn über die Taten der Altvorderen, von ihrem Herkommen, und er nannte die Gebote der Götter, später auch die christlichen Gebote.

Wir wollen die Gelegenheit unserer Zusammenkunft nutzen, wie unsere Ahnen, Pergubrius ein Opfer, wenn auch auf sehr viel bescheidenere Art nicht gerade einen Bock, aber doch ein Trankopfer zu bringen.

Was könnten wir Pergubrius als Trankopfer anderes, besseres geben, als unseren heimischen Bärenfang. – Vor der eigentlichen Opferung bat der Waidelotte die Götter, das Opfer anzunehmen. Wir schließen uns dieser Bitte mit denselben Worten an, mit denen sie das Opfer darboten:

  Nehmet unser Fest an   Enimtei nusan swintikan
  Und heiliget dieses Brot und Fleisch   Be swintintlei stan mensan be (stan) geitin,
  Damit wir Eure Heiligung begehen  Senku mes prawistilei jusan swintiniskan
  Können mit allen Würden.     Sen wissans wertingiskamans.

Bei den Opferhandlungen wurde Pergubrius als Ziemiennik angesprochen. Zemé ist die Erde; hier sprachen sie also seinen Erdeaspekt an, ihn also wohl ursprünglich als „Schützer der Erde“. Schließen wir uns auch dem Dank unserer Ahnen an den Schützer der Erde mit denselben Worten wie sie, während wir ihm drei Gläschen unseres heimischen Bärenfanges opfern:

  Dieses opfern wir für Dich,   Sis portamai pra tien,
  O Gott Zemnik,    o deiwan Zemniks,
  Und sagen Dir Dank,      Be (mes tebbei) dinkamai,
  Daß Du uns alles reichlich gegeben. Kai tu dasei numans wissas tik laimiskai.
  Wir bitten Dich,       Mes tien prassimai,
  Daß Du auch hinfort dieses tun mögest. Kaigi tu seggilai talaisi en stan subban enteikusnan.

Dieses Fest des Erntedanks verbanden unsere Ahnen mit einer Beichte. Sie verbanden den Dank uns das Fest der Ernte auf den Feldern mit einer Betrachtung dessen, was sie im vergangenen Jahr versäumt, falsch gemacht haben, was im letzten Jahr durch sie nicht so gedeihlich war, mit der Rückschau auf ihre Seelenernte.

Das zu erkennen und auch zu bekennen ist gute Grundlage für einen Neuanfang.

Die Beichte, diese Rückschau ist bei uns nicht so eng mit dem Erntedank verbunden, obwohl es recht nützlich sein könnte. Auch wir sollten uns fragen, was wir als Ernte eingebracht haben. Wir haben keine Felder mehr, auf denen wir pflanzen könnten, aber wir haben uns vieles zu Beginn des Jahres, zu Beginn des Frühlings, der Saatzeit, an Plänen, an Vorhaben, an Vorsorgen, für uns und andere vorgenommen. Wir haben die Hektik des sommerlichen Jahres, die Mühsal des Pflanzens, Säens, Betreuens hinter uns, jetzt fragen wir uns, was wir uns un als Ernte eingebracht haben, welche Probleme wir gelöst oder nicht gelöst haben.

Dies ist die Zeit des Übergangs in die dunkle Jahreszeit. Das Äquinoktium, die Tag- und Nachtgleiche liegt hinter uns. Die Stimmung ist gedrückter. In dieser Zeit sind Volkstrauertag, Totensonntag angesiedelt, die Rückschau und das Gedenken an unsere Freunde und Verwandten, die uns verlassen haben. Aber wir haben nicht nur an den Tod als Abschied zu denken. Als Kinder des Industriezeitalters haben wir durch die Entwurzelung vom Naturzyklus die Beziehung zur Natur weitgehend verloren. Wir verstehen den Tod nicht mehr als notwendigen Prozeß im Gesamtgefüge. Wir sehen ihn nur noch als brutalen Tod, gegen den man sich wehren möchte, und dem man doch machtlos zusehen muß. Unsere prußischen Ahnen konnten als Menschen, die in so enger Verbundenheit mit der Natur lebten, den Ablauf von Geburt und Tod, Werden und Vergehen, in das Gesamtgefüge der Schöpfung einbetten. Sie konnten durch ihr Leben in und mit der Natur verinnerlichen, daß Vergehen immer auch mit Werden zusammenhängt, Winterruhe mit Frühlingsfruchtbarkeit, Sterben mit Geborenwerden.

Dieses Gedenken an die Verstorbenen ist vielfach mit Riten verbunden. Manche Angehörigen von Naturreligionen stellen zu Beginn des Novembers Teller mit Nahrung vor den Eingang der Behausung und eine Kerze in jede Fensteröffnung, um die Toten auf ihrer Reise in das Land des ewigen Sommers, auf der Reise zum Licht zu leiten und mit Nahrung zu speisen. Ich bin sicher, daß unsere Ahnen das auch gemacht haben. Es war ein allgemeiner und weit verbreiteter Brauch, der in unseren Gebieten auch von den Römern her  bekannt ist. Sie brachten zu den Totengedenktagen, den Parentes (Parentalien, die freilich zu einer anderen Zeit gefeiert wurden), den Verstorbenen der Familie Grabspenden dar. – Auch die Kelten wußten, daß die Verstorbenen um den 31. Oktober wiederkehren und Achtung verlangen. Sie feierten und feiern auch jetzt wieder an Samhain den Doppelaspekt: Das Alte stirbt, und Neues wird geboren.

Der Totengedenktag ist vielfach ein Fest der Reaktivierung der Verstorbenen in den Falilienverbund. Mancherorts erzählen die Alten ihren Töchtern von früheren Generationen und den Menschen in der Familie. – Mütter laden nach diesem Gespräch die alten Familienseelen ein, sich ihre neuen Mütter zu betrachten und sich auszusuchen, welche von ihnen durch die Frauen wiedergeboren werden. Die alten Seelen werden eingeladen, um mit ihnen zu kommunizieren, und die Ahnen gebeten, dem Clan, dem sie angehören, mit ihren Rat zu helfen. In einer australischen Volkgruppe zum Beispiel darf eine Woche lang um den Verstorbenen getrauert werden. Nach dieser Woche darf sein Name nicht mehr genannt werden, Niemand darf sich mehr mit Gegenständen, Kleidung oder was auch immer beschäftigen. Nach einem Jahr wird er feierlich in den Kreis der Ahnen aufgenommen, die von dem Clan bei wichtigen Anliegen um Rat gefragt werden,

In dieser Zeit wird der Kontakt zur Anderswelt aufgenommen.

Der Grieche Pytheas berichtete von seiner Seereise um 320 vor Christus, in unserem Gebiet habe ein Volk gewohnt, das die Mutter der Götter verehrte. Die Verehrung der Großen Mutter war die frühe Reiligion unserer Vorfahren aber auch die vieler Völker. In der alten Religion schon hatte die Grosse Mutter einen Doppelaspekt, sie kann Leben geben und Leben nehmen, beides ist miteinander verbunden.

In unseren Breiten lebt sie vielfach noch in den Bildern von Frau Holle, die auch in beiden Welten lebt. Auf der Erde ist sie die fleißige und gute Menschen Beschenkende, in der Unterwelt die Totengöttin und Gebärende.

Die germanische Hel, die einen der Aspekte der Großen Mutter übernommen hat, geleitet die Verstorbenen in ihr Reich, wo sie für eine neue Wiederkunft vorbereitet werden. Auch der Kessel der keltischen Ceridwen, die besonders in Wales auch heute noch oder wieder an vielen Plätzen verehrt wird, ist ein Kessel der Wandlungen. Die Göttin gebiert neues Leben und  nimmt den Menschen nach Ablauf seiner Lebenszeit wieder in die Geborgenheit ihres Erdenschoßes auf.

Auch Pikoll (Patull), der der prußischen Göttertrias in der der Verehrung der Großen Göttin nachfolgenden Religion angehört, können wir nicht nur als Gott des Todes sehen (auch wenn er durch die Eroberer ihren Zwecken entsprechend so dargestellt wird. Eroberer versuchen immer, die „Negativ“- Seite der Besiegten zu betonen), wie spätere Chronisten ihn darstellen, wir müssen auch bei ihm den Doppelaspekt erkennen; denn immer folgt dem Sterben eine Wandlung, eine Reifung hin zum Wiedergeborenwerden.

Die Zeit der Dunkelheit, in die wir jetzt gehen, ist die Rückkehr in die Geborgenheit, aus der wir vor der Geburt gekommen sind, und aus der wir nach einer Zeit der Ruhe und der inneren Reifung, der Sammlung von Kräften, wieder zum Leben zurückkehren.

Oktober/November, das ist die Zeit, die uns geschenkt ist, damit wir zur Ruhe kommen, damit wir uns in die geistige Welt versetzen können. Wir können in dieser Ruhe darum bitten, die Inhalte unseres Lebens, deren wir uns aus Eile oder Angst bisher nicht angenommen haben, erkennen und aufarbeiten zu dürfen. Auch ein Gespräch mit einem Freund kann die Kommunikation mit dem eigenen Innenleben fördern und hilft einem vielleicht, nicht in den eigenen Tiefen zu versinken und nicht allzu introvertiert zu werden.

Auch die Seelenernte will eingebracht werden. Dazu brauchen wir Stille, Ruhe, Meditation, vielleicht bei einem Glas Wein mit uns allein, in einem gemütlichen Sessel, bei einer schönen Kerze. Eine kuschelige, wohltuende Atmosphäre in den eigenen vier Wänden, das kann schon ausreichen. Und wer im Sommer um Johanni genügend Johanniskraut gesammelt hat, kann nun mit diesem Tee, versüßt mit etwas Honig, die Kraft und den  Geist des Sommers auch in dieser Jahreszeit in sich aufnehmen. Johanniskraut ist ein ausgezeichnetes Antidepressivum. Die Seele findet Ruhe, so daß wir jenes, was sich in der lichten Zeit abgespielt hat, betrachten, verdauen, und dann anschließend ruhen lassen können. Wer in sich nichts zu verstecken hat, keine Angst vor seinen eigenen Trieben und Wünschen  hat, braucht sich auch nicht zu fürchten, wenn einmal das Licht ausgeht, oder wenn der Nebel alles einhüllt.

Bei Spaziergängen hilft uns der Nebel zu der Stille, die wir jetzt für unsere Reife brauchen. Alles ist wie in Watte gepackt, damit es nicht zerbricht.

( Zu den verschiedenen Bräuchen gehören auch entsprechende Speisen aus dem, was die Natur uns gerade jetzt zur Verfügung stellt. Da gibt es das Eibenmus - aber Vorsicht, die Kerne sind sehr giftig -, da ist das Eichelbrot, also Brot aus Eicheln, die man zuvor behandeln muss, damit man Eichelmehl zum Backen gewinnt. Das Brot soll leicht nussig schmecken. Vielleicht kennt jemand das Brot noch aus der Nachkriegszeit. Ein Ritualwein aus dieser Zeit ist der Wein aus Holunderbeeren, Eibenbeeren, gemahlenen Haselnüssen, Weidenrinde, Mistelkraut und anderen Zutaten.)

In der alten Religion, die auch unsere war, hat die Große Mutter drei Aspekte: die Jungfrau im Frühling, die Mutter, die sich im Sommer darstellt, und die alte, weise Frau in der dunklen Jahreszeit. Sie symbolisieren zusammen den Kreislauf des Tagesgestirns sowie den Jahresablauf und damit das Leben. Und wenn wir mit der Natur leben wollen, sollten wir diese drei Aspekte in den Jahreszeiten bewusst mitleben. Gehen wir also jetzt bewusst mit der Göttin in die dunkle Jahreszeit. Die ganze Natur zieht sich zurück, nicht zu einem endgültigen Tod, sondern zu einer Sammlung der Kräfte, der inneren Reife, damit das Leben im Frühling wieder zurückkehren kann. Diese Ruhe ist es, die die nebelige, dunkle Jahreszeit uns bringen möchte – Ruhe in uns. Und dann fangen die Tage auch wieder an, etwas länger zu werden.

Ruhe, Zeit und Liebe und die Arbeit an sich selbst sind die Herbst-  und Winterarbeit, die im Frühling zu neuem Leben, zu Blüte und dann sommerlicher Frucht verhilft.

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© prūsai
2 September, 2007

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